Geschichte

Sonntag, 12. Oktober 2008

wikipedia

In der Berliner Zeitung gibt es an diesem Wochenende ein interessantes Interview mit Jimmy Wales. Was mir - neben seiner Tochter - an diesem Interview besonders bedenkenswert erscheint sind zwei Dinge:
Zum einen weist er auf die Fähigkeiten mancher Hobbyforscher hin, die in bestimmten Fächern (nicht allen, wie etwa Physik) über umfangreicheres Wissen verfügen als Fachleute. Vielleicht ist das auch der Grund, weil manche Fachvertreter so empfindlich auf die Wikipedia reagieren.
Der zweite Aspekt ist sein Hinweis auf die soziale Seite jeder Wissensvermittlung. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb Fachleute so wenig von der Wikipedia halten, denn ihr in ihrer Disziplin erworbenes Ansehen zählt unter den Bedingungen der Wikipedia nur wenig, sondern muss in einer anderen Gruppe erneut erworben und dauernd verteidigt werden.

Freitag, 3. Oktober 2008

Fortschritt?

Dieses Wochenende, so dachten wir, fahren wir mal richtig dekadent: 1. Klasse im ICE, wir hatten Freikarten geschenkt bekommen. Doch welche Enttäuschung, wir armen Toren. Gut, wir saßen auf Leder und alle paar Minuten kam ein netter Mitarbeiter vorbei und bot uns Kaffee an, aber sonst? Marginale Unterschiede. Die Bahn rumpelte über die Strecke, fuhr mit gefühlten 50 km/h durch die Landschaft - in Wirklichkeit war es etwas mehr. Das ist zwar auch in der 2. Klasse so, aber da ist man ja auch bescheidener... Jedenfalls hätte sich ein D-Zug der 30er Jahre vermutlich geschämt, wenn er mit dieser lahmen Geschwindigkeit durch die Lande gefahren wäre. Ich schreibe dies deshalb, weil sich noch alle über die gute alte Dampflok lustig machen. Dabei war man im 19. Jahrhundert in diesen Dingen schneller und effizienter als wir heute im modernen (?) Deutschland.
Ach ja, exklusiv ist die 1. Klasse auch nicht. Unsere Mitreisenden klärten uns auf, dass sie die 1. Klasse-Karten deutlich günstiger als die der 2. Klasse erstanden hatten - wieder so eine unverständlicher Unsinn unserer Bahn-Oberen.
Aber jetzt sind wir in Basel und genießen diese wunderbare Stadt, so hat die Bummelbahnfahrt doch noch einen krönenden Abschluß gefunden. Und dennoch: was muss das für ein Gefühl gewesen sein, vor unvordenklichen Jahrzehnten mit dem luxuriösen Rheingold, vielleicht bespannt mit einer bayerischen S 3/6 am Rhein entlang zu fahren? Davon können wir heute nur noch träumen.

Dienstag, 23. September 2008

Erinnerungslandschaften

Aleida Assmann berichtet über Erinnerungslandschaften im Deutschlandradio.

Montag, 22. September 2008

Ilseder Hütte

Am 6. September 1858, also vor 150 Jahren, wurde die Ilseder Hütte östlich von Hannover gegründet. Das Unternehmen selbst besteht zwar nicht mehr, aber der Nachfolgekonzern Salzgitter AG feiert dies Ereignis dennoch gebührend, u.a. mit einer Unternehmensgeschichte (Wessel, Horst A., Stahl und Technologie. Salzgitter AG 1858-2008. Salzgitter, 2008). Am Historischen Seminar hatten wir vor 10 Jahren uns auch mit diesem Thema auseinander gesetzt (Zur Geschichte der Ilseder Hütte). Inzwischen ist immerhin das Werksarchiv jetzt Teil des Niedersächsischen Wirtschaftsarchivs Braunschweig, so dass die noch vor 10 Jahren kaum benutzbaren Bestände jetzt endlich wissenschaftlich genutzt werden können.
Allerdings mangelt es immer noch an einer systematischen wissenschaftlich-kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Niedersachsen (Stichwort Conti, VW) sollte aber vielleicht doch darauf verwiesen, dass die Standarderzählung, Niedersachsen sei ein Agrarland, in Frage gestellt werden sollte. Wilhelm Treue hatte dies schon 1955 getan (Treue, Wilhelm, Zehn Jahre Land Niedersachsen. Hildesheim: Lax, 1956), aber dennoch spielt diese agrarische Prägung des Landes bis heute eine wichtige Rolle, u.a. auch mit Bezug auf die Geschichte des 19. Jahrhunderts, wo die "Mustererzählung" lautet, dass der hannoversche König der Industrialisierung skeptisch gegenüber stand. Allerdings trifft das den Kern der Sache nur bedingt, denn mit Linden (1920 zu Hannover eingemeindet) hatte das Königreich schon früh ein zunächst kleines, aber sehr innovatives industrielles Zentrum. Der Bau der Georgsmarienhütte bei Osnabrück ging sogar auf staatliche Initiative zurück und mit der Ilseder Hütte entstand bald ein zweites Zentrum der noch jungen Schwerindustrie. Im Kaiserreich weiteten sich diese industriellen Ansätze schnell aus.
Bei all dem muss berücksichtigt bleiben, dass das spätere Niedersachsen (zu dem neben Hannover auch noch Braunschweig, Oldenburg und das ebenfalls schnell industrialisierende Schaumburg-Lippe gehörten) im Vergleich zum nahe gelegenen Ruhrgebiet massive Standortnachteile hatte, denn es fehlten einfach die grundlegenden Steinkohlefelder. Andererseits litt das Königreich Hannover auch daran, dass es lediglich zwischen 1837 und 1866 eine in Hannover aktive Regierung hatte, während es bis 1837 eher wie ein Nebenland und ohne eine politisch aktive Elite geführt wurde. Die in den süddeutschen Ländern schon in der napoleonischen Zeit so massiv betriebene innere Landesgründung entfiel hier fast vollkommen bzw. wurde zu spät in Angriff genommen, was bis heute das Grundübel des Landes darstellt.
Insofern bildet die Geschichte der Ilseder Hütte ein Gegenbild zum vermeintlich agrarisch-rückständigen Niedersachsen des 19. Jahrhunderts. Es ist eine - auch angesichts der strukturellen Probleme wie die phosphathaltigen Erzfelder - eine besondere Erfolgsgeschichte.

Montag, 15. September 2008

Historical Trust

In diesem Sommer haben Studierende des Historischen Seminar eine Woche lang im Museumsdorf Cloppenburg eine Hofüberlieferung bearbeitet. Welche Möglichkeiten bestehen, systematisch die Überlieferung eines Hofes zu erschließen, zeigt ein englisches Beispiel.

Samstag, 30. August 2008

Der kluge Bauer

In den 1980er Jahren haben wir Agrarhistoriker nicht selten Dorfplaner darauf hinweisen müssen, dass ein Dorf klare Hierarchien kennt und ein komplexes Kommunikationsmuster aufweist. Ich bin mir übrigens nicht sicher, ob alle das verstanden haben. Was wir damals aber nicht gemacht haben, war, uns kritisch mit dem Selbstbild und dem damals auch in eher "linken" Kreisen gern vermittelten Bild der armen, erst vom Feudalsystem, dann der Industrialisierung so sehr benachteiligten Bauern aus einander zu setzen. Wie fragwürdig diese Position ist, zeigen nicht nur viele neuere Forschungen, sondern das konnten auch Studierende des Historischen Seminars der Uni Hannover in der letzten Woche in einem Seminar im Museumsdorf Cloppenburg erleben, als wir uns intensiv mit dem Nachlass des Hofes Aschenbeck, der dort deponiert ist, auseinander gesetzt haben. Was wir dort fanden, war nicht nur ein geschäftstüchtiger Landwirt, der sorgfältig seine vielfältigen Geschäftsbeziehungen dokumentierte, sondern auch ein Mensch, der religiös war und gleichzeitig weltoffen lebte. Was einigen Studierenden besonders imponierte, war ein Titularbuch, das u.a. die "richtigen" Anreden für die Großen dieser Welt beeinhaltete.
Dass übrigens die schon im 18. Jahrhundert erkennbare Geschäftstüchtigkeit nicht verschwunden ist, allen Klagen der Landwirte zum Trotz, kann man darin sehen, dass der heutige Hof erkennbar ein mittleres Wirtschaftsunternehmen darstellt.

Montag, 18. August 2008

Zitat des Tages

Bei meiner Literaturrecherche zur Bauernbefreiung nutze ich, wie hier schon öfter mitgeteilt, google books, weil es den schnellen und ungehinderten Zugang besonders älterer Literatur erlaubt. Faszinierend an dieser älteren Literatur etwa zur Bauernbefreiung finde ich deren zuweilen äußerst kritische Analyen, wie hier bei Leopold Krugs aus dem Jahre 1808 stammenden "Abriss der Staatsökonomie", wo er auf S. 51 schreibt: "Es ist zwar überall zu beweisen: daß diese Rechte der großen Grundbesitzer, welche von unbezahlten Diensten zur Erbuntertänigkeit Leibeigenschaft und Sklaverei gingen, nicht von freiwilligen Kontrakten der herrschenden und der leidenden Klassen, sondern vom politischen und ökonomischen Uebergewicht der ersten herzuleiten sind..."


Montag, 7. Juli 2008

Die Wiederkehr der Geschichte

Das 18. Jahrhundert hat die Kartoffel zwar nicht "entdeckt", aber als wichtiges Thema in öffentlichen Diskursen zum Thema Ernährung und Hunger taucht sie erst in europäischen Gesellschaften im 18. Jahrhundert auf. Gegenwärtig erleben wir Debatten, die stark an die des 18. Jahrhunderts erinnern. Da passt ein Eintrag in Spiegel-Online von heute zum "Comeback der Wunderkartoffel" genau ins Bild. Über die Geschichte der Kartoffel gibt es übrigens einen sehr guten, vielfältigen Sammelband: Helmut Ottenjann und Karl-Heinz Ziessow, Hrg., Die Kartoffel - Geschichte und Zukunft einer Kulturpflanze, Cloppenburg, 1992.

Samstag, 5. Juli 2008

So wird das nichts

Ich beschäftige mich in den letzten Monate wieder intensiver mit der Bauernbefreiung. Das klingt vielleicht etwas langweilig, ist aber ein spannender, geradezu aktueller Prozess gewesen. Ein Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass die Bevölkerung schneller wuchs als die Erntemengen. Angesichts grundsätzlich begrenzter und nicht erweiterbarer Ressourcen - eine Erfahrungen, die die Menschen des 18. Jahrhunderts mit allen ihren Vorfahren teilten, die wir aber offenbar vergessen haben - galt es, das Meiste nachhaltig aus dem Boden heraus zu holen. Da mit der kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln auch die Preise stiegen, wurde es zudem lukrativer, in die Landwirtschaft zu investieren. Immer mehr Bereiche der damaligen Gesellschaft interessierte sich für den Landbau, bis hinauf, wenngleich eher durch symbolische Handlungen verdeutlicht, zu den Monarchen.

Im Augenblick passiert etwas Ähnliches: wir sind mit der Knappheit von Ressourcen konfrontiert. Wenn ich aber gleichsam aus der Perspektive des 18. Jahrhunderts auf die öffentlichen Reaktionen sehe, bin ich zuweilen sprachlos. Nehmen wir etwa die Berliner Zeitung vom heutigen Tage. Diese titelt auf der ersten Seite: "Rekord-Spritpreis gefährdet Jobs". Schlimm. Wer nun aber denkt, dass sich die Schreiber dieser Zeitung auch mit der Frage beschäftigen, wie diesem Problem begegnet werden kann - nämlich durch extrem sparsame Autos, wird auf der Autoseite derselben Zeitung eines anderen belehrt, denn dort wird über den neuen "Siebener" von BMW, über einen geplanten Offroad von Opel, über ein absurdes Dreirad und einen sehr unsparsamen Kleinwagen geschrieben.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung ist da nicht besser dran: "Business-Klasse im Visier", der ungetrübte Fahrspaß bei einem Pseudo-Offroader (im Artikel heißt es, er sei besser auf der Straße aufgehoben) und einen alten Sportwagen sind die größeren Themen. Eine Auto-Motor-Sport ist nicht anders, auch dort finden sich Themen, die mit allem, aber kaum etwas mit dem Sparen zu tun haben.

Das ist nur ein oberflächlicher Befund, aber überspitzt würde ich sagen: Während in einer vergleichbaren Situation im späten 18. Jahrhundert öffentliche Debatten um Veränderungen geführt wurden, klagen wir heute und machen weiter wie bisher.
Das zeigt sich auch beim Vergleich mit den 70er Jahren. Damals, nach der ersten Ölkrise, wurde wesentlich intensiver über Sparmöglichkeiten nachgedacht, manche der damals gefundenen Lösungen (Start-Stop-Automatik) werden heute als tolle Lösungen offeriert. Woran lag die damals erkennbare Bereitschaft, sich auch mit anderen Zielen als schneller und schwerer zu beschäftigen? Lag es vielleicht auch daran, dass die damalige Generation die Erfahrung der Energieknappheit noch aus den 50er Jahren kannte?
Ich bin gespannt, wie es weiter geht, ab wann die Gesellschaft sich wirklich umstellt, oder ist die Automobilindustrie eine typische "alte" Industrie, die auf strukturelle Wandlungen gar nicht reagieren kann?

Sonntag, 22. Juni 2008

Google Books und Kulturtransfer


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